Virus-Volatilität

Marktkommentar, Februar 2020

Virus-Volatilität

Die Ausbreitung des aus China stammenden Coronavirus bestimmt die Medienschlagzeilen. Obwohl sich die Finanzmärkte erholt haben, sollte man das Thema dennoch nicht unterschätzen. Zwar haben sich in 2003 Wirtschaft und Aktien in China wieder erholt, doch ein Vergleich mit dem SARS-Virus vor 17 Jahren hinkt, weil China, verglichen mit damals, heute rund viermal so wichtig für die Weltwirtschaft ist. Zudem sind die von China verhängten Massnahmen für die globale, vor allem aber chinesische Wirtschaft auch einschneidender. Und schliesslich ist der Anteil des China-Geschäfts bei vielen wichtigen westlichen Firmen heute ebenfalls ungleich grösser als vor 17 Jahren. 

Der sich rasch ausbreitende Coronavirus beschäftigt die Medien und ist ein klares Risiko für das Wachstum der Wirtschaft und der Unternehmensgewinne in den kommenden Wochen, eventuell Monaten. Die Auswirkung auf Gewinne und Wirtschaft hängt vom Erfolg Chinas in der Bekämpfung der Ausbreitung ab. Zwar haben die Finanzmärkte bereits ähnlich wie beim SARS-Virus reagiert, doch ist nicht gesagt, dass die ökonomischen Auswirkungen gleich sind. Wie Ende 2002 begann der Coronavirus, der zur gleichen Virus-Familie wie der SARS-Virus gehört, in China, weshalb ein Vergleich zur Ausbreitung und Wirkung 2003 natürlich erscheint. 

Während der Ausbreitung des SARS-Virus verringerte sich das chinesische Wirtschaftswachstum von rund +10 % zum Vorjahr Anfang 2003 auf noch 6.6 % im Höhepunkt der SARS-Krise. Die Reisetätigkeit reduzierte sich um über 40 % und das Frachtvolumen fiel um rund 15 %. Besonders stark wurde der Einzelhandel getroffen. Nach rund 8‘000 Virusfällen und rund sechs Monaten Dauer war SARS eingedämmt und die Wirtschaft erholte sich wieder. Ein Vergleich zwischen 2003 und heute ist aber schwierig und dürfte die Auswirkungen aus verschiedenen Gründen unterschätzen. Die Ausbreitung ist bereits heute grösser: 8‘000 Fälle wurden bereits nach wenigen Wochen überschritten, die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist stärker. 

Die drastischen Eindämmungsmassnahmen der chinesischen Regierung betreffen weit über 50 % der chinesischen Wirtschaft, also klar mehr als 2003. Im Weiteren ist heute der Anteil von Konsum und Dienstleistungen an der Wirtschaft Chinas viel grösser als 2003 – diese Sektoren werden diesmal besonders betroffen. Am wichtigsten aber ist die Tatsache, dass China heute mehr als viermal so bedeutend für die Weltwirtschaft ist wie vor 17 Jahren. Der Anteil Chinas an der globalen Wirtschaftsaktivität betrug 2003 rund 4 %, liegt heute aber bei rund 17 %.  Die 11 Mil-lionen-Stadt Wuhan, die im Zentrum der Virus-Ausbreitung steht, ist ein enorm wichtiger Transport-Umschlagplatz in China, sehr stark in der Autoproduktion und auch substanziell für verschiedene Technologieprodukte. 

Wichtig wird nun, wie lange wie viel der Produktion des Konsums in China und der Lieferungen aus China unterbrochen sind, was zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags gänzlich unsicher, aber wohl substanziell ist. 

«In turbulenten Marktphasen bewährt sich bei Aktien und Anleihen Qualität mit tieferer Volatilität.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Wie dürfte sich die Coronavirus-Krise ökonomisch ausbreiten? Da die chinesische Regierung die Mobilität der Bevölkerung, die Produktion und den Transport unterbrochen hat, gibt es zuerst einmal direkte Wirkungen. Wie oft sind aber die indirekten Wirkungen wohl noch grösser, beispielsweise der Rückgang der Konsumentenstimmung und des Vertrauens der Unternehmer, welches sich in einer Reduktion der Investitionen, des Konsums und der Produktion manifestieren dürfte. Da heute China im globalen, besonders auch asiatischen Handel so überaus bedeutsam geworden ist, werden andere Länder ebenfalls im Wirtschaftswachstum getroffen, besonders Taiwan, Singapur und Südkorea. Auch in Japan, wo chinesische Touristen über 30 % ausmachen, wird das Wirtschaftswachstum leiden, ähnlich in vielen anderen Ländern – nicht nur in Asien. Für die Aktienmärkte zählt die Frage, wie viel das China-Geschäft in Prozent des gesamten Gewinns unter Berücksichtigung der Margen ausmacht. Dies ist bei globalen Firmen sehr unterschiedlich; generell kann aber gesagt werden: Je zyklischer die Branche oder je exportorientierter das Land, desto grösser oft der China-Anteil. Daher ist der amerikanische Aktienmarkt, den wir seit langem übergewichtet halten, wohl weniger anfällig als viele Schwellenländer, welche vom Marktkonsens zu Jahresbeginn zudem übergewichtet wurden. Pro Memoria: Im Schwellenländeraktienindex beträgt inzwischen der Anteil Chinas inklusive Hongkong und Taiwan rund 50 %.

Die Coronavirus-Krise zeigt uns übrigens, dass die Globalisierung wegen der Bedeutung Chinas vielleicht wirklich Änderungen braucht. Der Anteil Chinas ist so gross geworden, dass die Abhängigkeit von China wahrscheinlich gefährlich werden kann. Dies gilt für Zuliefer-Ketten, den Einfluss auf die Klimaveränderung, politische Risiken und vieles mehr. 

Was wird gegen das ökonomische Coronavirus-Risiko unternommen? Die Anleihenmärkte haben begonnen, nicht nur Zinssenkungen in China, sondern auch in anderen Ländern zu antizipieren. Je nachdem, wie klar China mit monetären und fiskalischen Stimuli der Wirtschaftsabschwächung gegensteuert, kann die Auswirkung begrenzt werden. Zur Zeit des Verfassens dieses Marktkommentars besteht das Risiko des Konjunkturrückgangs für China bei rund -0.5 % bis -1.5 % des annualisierten Bruttoinlandprodukts, gedämpft durch Stimulierungsschritte der Regierung, global vielleicht bei rund -0.25 % bis 0,50 %. Doch die Ausbreitung des Virus macht die Quantifizierung sehr schwierig.

Daher erscheint uns eine Diversifizierung der Anlagen zurzeit erst recht richtig. Qualitätsanleihen (Regierungs- und «Investment Grade»-Obligationen) und Gold sind historisch gut geeignet, um Aktien zu diversifizieren. Qualitätsaktien mit defensiver Wachstumsausrichtung und tieferer Marktsensitivität als der Weltindex aller Länder, also mit weniger Volatilität, schonen die Nerven und bewahren vor Panik-Handlungen, besonders in turbulenten Zeiten wie diesen.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 7. Februar 2020

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