Eine präzedenzlose Stimulierung der globalen und insbesondere der amerikanischen Wirtschaft ist wohl die Hauptursache zunehmender Stagflationsrisiken. Diese war 2020 berechtigt, jedoch 2021, wie die damaligen Aktienkurse anzeigten, bereits nicht mehr. Sowohl US-Präsident Trump wie auch US-Präsident Biden schickten Geldchecks an die Amerikaner und kreierten dadurch einen Überschuss an Nachfrage im Verhältnis zum Angebot in der Wirtschaft. Entscheidend war auch, dass die amerikanische Zentralbank gleichzeitig die Zinsen zulange tief hielt. Zuviel Geldliquidität und steigende Bewertungen waren die Folge, die nach einer Übertreibung nach oben stetig angepasst werden. Dieses Jahr ist es wirklich allen klarer geworden, wie die US-Zentralbank hinter der Inflationsentwicklung hinterherlief. Die US-Zentralbank hätte schon viel früher mit deutlichen Zinserhöhungen anfangen müssen, nämlich schon letztes Jahr. Denn als US-Präsident Joe Biden im ersten Quartal 2021 erneut mit der Versendung von Geldchecks an die Amerikaner und weiteren Stimulierungen die US-Konjunktur anfeuerte, war die amerikanische Wirtschaft, die bereits 2020 vom US-Kongress in noch nie gesehenem Umfang unterstützt worden war, im Wachstum bereits zu stark. Dennoch setzte die US-Zentralbank ihre Obligationenkäufe historisch präzedenzlos fort und hielt so die US-Zinsen künstlich zu lang viel zu tief. Mit dem Argument die (bereits sichtbar ansteigende) Inflation sei nur vorübergehend höher, kaufte die US-Zentralbank weiter enorme Mengen von Obligationen. Es wurden noch im Winter 2021/22 Hypotheken-besicherte Anleihen gekauft und damit der Häusermarkt unnötigerweise unterstützt, obwohl die US-Häuserpreise schon um 20 % angestiegen waren! Wenn dies kein geldpolitischer Fehler war, dann gab es selten einen… Ein Blick nach Parallelen in der Wirtschaftsgeschichte kann Einblicke bringen. In den 1970er Jahren entstand in einem ähnlichen Umfeld eine sogenannte Stagflation. Darunter versteht man eine stetig, zuerst kaum spürbar, dann aber deutlicher sich abschwächende Konjunktur in Kombination mit überdurchschnittlich hoher Inflation. Der Konsens unter den Ökonomen war in den 1970er Jahren generell, man könne die Arbeitslosigkeit tief halten, wenn man eine höhere Inflation toleriere. Ähnlich argumentierte die US-Zentralbank letztes Jahr mit ihrem neuen Ziel einer höheren «Durchschnittsinflation». Um 1970 hatte aber schon der Ökonom Milton Friedman dargelegt, dass Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen sei, also von einem «Zuviel» an geldpolitischer Stimulierung bzw. zu tiefen Zinsen und zu hoher Geldliquidität verursacht würde. Letztlich musste als Reaktion dann in den 1980er-Jahren der damalige US-Zentralbankchef Paul Volcker die Zinsen extrem erhöhen, weil sein Vorgänger (aus politisch-opportunistischen Gründen zur Stützung der Nixon-Regierung) die Zinsen zu lange zu tief gehalten hatte. Die Preissteigerungen treffen besonders die unteren Einkommensschichten, nicht nur in den USA. Gérard Piasko, Chief Investment Officer Ähnlich half die zu lockere Geldpolitik des aktuellen Fed-Vorsitzenden Jerome Powell die Defizite der US-Regierung zu finanzieren, welche durch die unangemessen hohe Konjunkturstimulierung entstanden. Biden wollte mit dem Wahlversprechen erneuter Versendung von Geldchecks Ende 2020 US-Präsident werden. Er wurde Präsident und es regnete dann nochmals allzu viele Dollarnoten. Kein Wunder, dass eine zu hohe Nachfrage seitens der amerikanischen Konsumenten in Verbindung mit zu billigem Geld bzw. zu tiefen Zinsen nun zu einer historischen Inflationssteigerung geführt hat. «Die Geister, die ich rief, werd’ ich nicht mehr los…», um Goethes Zauberlehrling zu zitieren, das gilt eben auch in der Wirtschaft. Wir sehen nun, wie die Preissteigerung in den USA und auch weltweit gerade die unteren Einkommensschichten besonders trifft, die einen prozentual hohen Anteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel, Miete, Benzin und Öl ausgeben müssen. Historisch ist es aber schwierig eine derart hohe Inflation wie wir sie nun in der Eurozone oder den USA sehen, zu reduzieren ohne zugleich eine scharfe Wirtschaftsabschwächung zu riskieren. Damit haben daher Stagflationsrisiken deutlich zugenommen. Dies hat verschiedene Implikationen. Alles, was von der sehr langen Phase enorm tiefer Zinsen profitiert und massiv über Jahre im Preis zugelegt hat, ist daran sich in der Bewertung anzupassen. Hoch bewertete Wachstumsaktien im Verhältnis zu historisch immer noch weniger teuren Substanzwertaktien sind ein Beispiel, der teuer gewordene Häusermarkt in vielen Ländern ein anderes. Es liegt in der Hand der Zentralbanken, besonders der amerikanischen, aber auch europäischen, nach dem letztjährigen geldpolitischen Fehler nicht noch weitere zu begehen. Es gilt die Stagflationsrisiken zu reduzieren. In der Zwischenzeit ist Vorsicht angebracht, auch bei zwischenzeitlichen Erholungen in den Kapitalmärkten. Wir bleiben bei einer Fokussierung auf Qualität – bei Aktien und Anleihen. Stabile Margen, relativ tiefe Verschuldung und Preissetzungskraft sind einige der Qualitätsmerkmale für diese schwierigen Zeiten steigender Zinsen. Kontaktieren Sie uns Marktkommentar November 2022 als PDF herunterladen Gérard Piasko Gérard Piasko leitet als Chief Investment Officer das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann. Zuvor war er über viele Jahre Chief Investment Officer bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank. Modular anlegen mit Maerki Baumann Die Themen des aktuellen Marktkommentars betreffen folgende Akzentmodule: Überzeugen Sie sich von unserem modularen Anlagekonzept, der individuellen Auswahl attraktiver Anlagelösungsmodule und dem transparenten Preismodell. Mehr erfahren Kontaktieren Sie eine Kundenberaterin oder einen Kundenberater für weitere Informationen. Jetzt kontaktieren Wichtige rechtliche Hinweise: Diese Publikation dient ausschliesslich zu Informations- und Marketingzwecken und ist nicht auf die Herbeiführung eines Vertragsschlusses gerichtet, sondern enthält lediglich Markt- und Anlagekommentare von Maerki Baumann & Co. 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