Inflationsdiskussion – ein Update

Marktkommentar, Mai 2021

Inflationsdiskussion – ein Update

Letztes Jahr wiesen wir im Marktkommentar «Unterschätzte Inflationsdebatte?» darauf hin, dass die Inflation zu gering eingeschätzt werden könnte. Wir haben uns nachfolgend mit, im Vergleich zu Aktien, untergewichteten Anleihen darauf eingestellt. Im Folgenden wird nun ein Update zur Inflationsdiskussion gegeben. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass Inflation trotz der Unsicherheit über die längerfristige Tendenz in erster Linie ein zyklisches Phänomen ist. Dies spricht weiterhin für eine untergewichtete Anleihensposition. 

In Zeiten, in denen sich das globale Wirtschaftswachstum verbessert, ist es völlig normal, dass die Veränderung der Konsumentenpreise im Vergleich zum Vorjahr (die Inflation) der Konjunkturentwicklung nach oben folgt. 2020 kollabierten wegen tiefer Nachfrage die Rohstoffpreise; dieses Jahr haben sie sich stark erholt und führen zu höheren Produzentenpreisen. Daher steigen die Inflationserwartungen der Konsumenten und letztlich auch die Konsumentenpreise selbst. Es ist davon auszugehen, dass wir dieses Muster auch dieses Mal – und zwar in allen wichtigen Wirtschaftsnationen – sehen werden.

Folgende Faktoren treiben derzeit die Inflation nach oben:

  1. Die monetäre Lockerung der globalen Geldpolitik ist als Antwort auf die Coronakrise viel umfassender als nach der Finanzkrise 2008/2009. Die Bilanzausweitung der vier wichtigsten Zentralbanken beträgt mehr als USD 7’000 Mrd. (oder über 50 % des Bruttoinlandprodukts) seit Beginn der Coronakrise. Dies bedeutet die stärkste Liquiditätserhöhung aller Zeiten.
     
  2. Wir sehen zusätzlich zur monetären eine enorme fiskalische Konjunkturstimulierung mittels einer Defizitausweitung. In Europa sind die Haushaltdefizite höher als nach der Finanzkrise 2008/2009. In den USA zeigte sich bereits vor dem Infrastrukturprogramm das höchste Fiskaldefizit seit dem Zweiten Weltkrieg.
     
  3. Der Privatsektor ist in einer viel besseren Verfassung als nach 2008/2009. Allein in den USA betragen die angehäuften Zusatzersparnisse dank Geldhilfen über USD 1’500 Mrd. Angesichts dieser enormen Ersparnisse und hoher «Nachholnachfrage» wird es für Unternehmen möglich, die Preise wo nötig anzupassen. Der Prozentsatz von US-Firmen, die Preiserhöhungen planen, zeigt dieses Jahr den höchsten Stand seit zwölf Jahren.
     
  4. Dieses Jahr kommt es wegen Angebotsengpässen bei der Produktion sowohl zu höheren Frachtpreisen als auch zu einer Knappheit wichtiger Güter wie Halbleiter, was beides ebenfalls den Anstieg der Inflation fördert.
     
  5. Nicht zuletzt haben die andauernden Spannungen mit der aggressiver auftretenden Grossmacht China viele Firmen, gerade in den USA, zum Überdenken des bisherigen Auslagerns der Produktion nach China veranlasst. Ein steigender Anteil der Produktion aus China hatte seit 2001 zu einer globalen Desinflation geführt, was sich nun zum Teil wieder umkehren kann, um quasi politisch besser diversifiziert zu sein. Mehr Produktion in der eigenen Region bedeutet aber auch wieder teurere Produktion.

«Bei graduell steigender Inflation erscheinen tief rentierende Anleihen unterdurchschnittlich attraktiv.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Nun kann man sich fragen, wie sich Anleihen, Aktien oder Gold in verschiedenen Inflationsphasen historisch verhalten haben. Dank dem amerikanischen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Robert Shiller, stehen über 150 Jahre untersuchte Daten zur Verfügung, die vier Inflationsphasen zeigen:

Negative Inflation wie in scharfen Rezessionen/Depressionen, hohe Inflation wie während der beiden Weltkriege oder in den 1970er Jahren, Reflation bzw. graduell von tiefem Niveau ansteigende Inflation wie in den 1960er Jahren, und Desinflation wie nach dem Zweiten Weltkrieg und in den letzten Jahrzehnten.

Im Verhältnis zum normalen historischen Durchschnitt zeigten dabei Aktien in den Reflations- und Desinflationsphasen überdurchschnittliche Renditen, Gold war bei hoher Inflation am attraktivsten, und Anleihen liefen bei negativer Inflation bzw. deflationärer Entwicklung überdurchschnittlich, jedoch nicht in Reflationsphasen. Der Grund, weshalb Aktien bei graduell ansteigender Inflation besser als Anleihen liefen, liegt in der Steigerung der Unternehmensgewinne: Denn nicht nur verbessern sich die Umsätze, sondern oft auch die operativen Margen.

Fazit: Solange sich das Wirtschaftswachstum verbessert und die Inflation auf höhere Niveaus ansteigt, erscheinen die historisch tief rentierenden Anleihen unterdurchschnittlich attraktiv.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als Chief Investment Officer das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann. Zuvor war er über viele Jahre Chief Investment Officer bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 7. Mai 2021

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