Geopolitische Krise

Marktkommentar, März 2022

Geopolitische Krise

Die geopolitische Unsicherheit bleibt im historischen Vergleich hoch. Der Angriff Russlands auf die Ukraine erhöht kurzfristig nicht nur die Nervosität bzw. reduziert den Risikoappetit; höhere Energiekosten und bei hoch bleibender Inflation höhere Finanzierungskosten über Zinserhöhungen können auch die rekordhohen Unternehmensgewinnmargen wieder sinken lassen. Zudem ist die sogenannte «Friedensdividende» der vergangenen 30 Jahre in Gefahr. 

In den vergangenen Jahren schrieben wir schon einige Male über geopolitische Themen. Dieses Mal ist die geopolitische Krise näher bei uns. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine erhöht das Stagflationsrisiko mehr als die Krim-Annexion 2014 – also das Risiko von weniger oder stagnierendem Wirtschaftswachstum und erhöhter Inflation via hohe Energiepreise.

Was die wirtschaftlichen Wirkungen dieses Mal angeht, sind einige Fakten von Bedeutung: In Europa sind die osteuropäischen Staaten wirtschaftlich am meisten mit Russland verflochten. In der gesamten Europäischen Union (EU) sind nur knapp 1,5 % der Wirtschaftsaktivität von Russland direkt abhängig, in Deutschland rund 2 %. Bei den europäischen Branchen macht die Nachfrage von Russland bei zyklischen Sektoren einen höheren Anteil aus als bei defensiven Sektoren. Doch die indirekten Wirkungen bei Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind wichtiger als die direktiven Wirtschaftsverflechtungen.

Russland ist nicht nur eine führende Militärmacht, sondern vor allem auch ein wichtiger Rohstofflieferant: Rund 40 % der russischen Ölexporte sowie 70 % der russischen Gasexporte gehen nach Europa. Von den gesamten europäischen Rohstoffimporten stammen bei Erdgas knapp 40 % aus Russland, bei Öl sind es rund 30 %. Die im Mehrjahresvergleich diesen Winter sehr geringen Gaslieferungen aus Russland nach Europa geben zusammen mit historisch tiefen Lagerbeständen bei Öl und Gas Russland einen politischen «Hebel» in die Hand, um seine geopolitischen Interessen zu wahren.

Wie wichtig Russland für Rohstoffe ist, zeigen auch folgende Zahlen: Von der gesamten globalen Produktion kommen beim für Katalysatoren bei Benzinautos wichtigen Palladium rund 40 % aus Russland, bei Getreide rund 25 % (Hauptkunden sind die Türkei und arabische Länder), bei Gas 17 %, bei Erdöl 10 % und bei Gold 9 %.

Verteidigung bzw. Defensive ist wieder mehr angesagt – in der Aktienausrichtung und in der Politik.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Wie steht es um die sogenannte «Friedensdividende», also die durch das Ende des Kalten Krieges eingesparten Militärausgaben? Eine allmähliche Wiederaufrüstung in Europa wird nun wahrscheinlicher. Auch eine neuerliche Phase des Wettrüstens zwischen Ost und West, ähnlich wie in den 1980er-Jahren zwischen den USA unter Ronald Reagan und der Sowjetunion, welche letztlich die wirtschaftlichen Mittel nicht hatte und ökonomisch kollabierte. Diesmal ist Russland insofern – kurzfristig – im Vorteil, da es rund 4 % seines Bruttoinlandproduktes für das Militär aufwendet. Die EU-Länder hingegen investieren nicht 3 % wie am Ende des Kalten Krieges, sondern bisher nur noch 1,5 %. Diese gesparten Prozente bzw. Gelder konnten bisher in Europa für andere ökonomisch wichtige Ausgaben wie die Unterstützung der südeuropäischen Länder gebraucht werden und sind daher wirtschaftlich eine «Friedensdividende», die bald wieder schrumpfen könnte. 

Die USA haben in den letzten Jahren andere NATO-Länder auf ihren zu geringen Beitrag zur gemeinsamen militärischen Verteidigung hingewiesen. Der Schachspieler Putin meint, die Gelegenheit nutzen zu müssen, bevor eine Wiederaufrüstung in Europa und ein neuerliches Wettrüsten Russland wirtschaftlich zu viel kostet. Genau dies könnte aber ein Wettrüsten provozieren. Momentan profitiert Russland noch von der Invasion der Ukraine dank höheren Rohstoffpreisen besonders bei Gas und Erdöl, die Mehreinnahmen ermöglichen.

Fazit

Die geopolitische Unruhe nach Russlands Angriff auf die Ukraine wirkt auf westliche Aktienmärkte nicht nur durch Nervosität (eine Abnahme des Risikoappetites), sondern auch über wirtschaftliche Wirkungen. Wichtiger als die direkten Verflechtungen sind dabei die indirekten Wirkungen: Eine Erhöhung der Energiekosten könnte die Firmengewinnmargen sinken lassen. Die Profitabilität, die auf Rekordstände geklettert ist, könnte sich wieder reduzieren, auch durch wieder höhere Finanzierungskosten über Zinserhöhungen wegen via Öl und Gas hoch bleibender Inflation. Zudem könnten die bisher dank historisch niedrigen Militärausgaben gesparten Gelder in der Wirtschaft bei einer Reduktion der «Friedensdividende» wieder abnehmen. Mehr Verteidigung bzw. Defensive ist also in jedem Sinn wieder angesagt, auch in der Aktienausrichtung über weniger Konjunktursensitivität. Darum sind wir im regionalen Vergleich den weniger konjunkturabhängigen Schweizer Aktienmarkt übergewichtet, während wir Aktien insgesamt vor Monaten bereits reduziert haben.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als Chief Investment Officer das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann. Zuvor war er über viele Jahre Chief Investment Officer bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 3. März 2022

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