Folgen der Finanzrepression

Marktkommentar, August 2020

Folgen der Finanzrepression

Die Liquiditätsflutung, welche seit einigen Monaten gigantische Dimensionen angenommen hat, soll einerseits die Wirtschaft, andererseits die Finanzmärkte stützen. Doch die fiskalische Wirtschaftsunterstützung, die Staatsschuldenerhöhung und die Obligationenkaufprogramme der Zentralbanken laufen auf eine Monetarisierung von Staatsschulden und eine sogenannte «Finanzrepression» hinaus. Letztere benachteiligt Sparer und bevorteilt Aktienbesitzer, wodurch die Finanzrepression zu mehr sozialer Ungleichheit beitragen kann. Dies ist nicht unproblematisch, wie wir in den USA zunehmend sehen.  

Um den durch das Corona-Virus und die «Lockdowns» entstandenen Konjunktureinbruch zu kompensieren, haben die wichtigsten Länder Fiskalstimulierungen von rund 
5-15 % des Bruttoinlandproduktes (BIP) beschlossen, was zu einer starken Erhöhung der Budgetdefizite und der Staatsschulden führt. Um diese steigenden Schulden zu finanzieren und die Finanzmärkte, die im März 2020 enorme Korrekturen zeigten, zu stützen, werden seit Monaten von den Zentralbanken gigantische Kaufprogramme für Staatsanleihen getätigt, welche auf eine «Monetarisierung» bzw. Finanzierung der nun massiv steigenden Staatsschulden hinauslaufen. 

Historisch kann eine hohe Staatsverschuldung, gemessen in Prozent des BIP, durch a) staatliche Sparprogramme, b) längere Zeit überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum, c) hohe Inflation oder d) weiter verstärkte Finanzrepression, d. h. forciert tief gehaltene Obligationenrenditen bzw. lange Zinsen, reduziert werden. Variante e) wäre eine Schuldenrestrukturierung mit partiellem Zahlungsausfall. Diese erscheint genauso wenig wünschenswert wie Option c) (zu hohe Inflation). Auch die Optionen a) (Wiederaufnahme staatlicher Sparprogramme) und b) (über längere Zeit historisch überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum) erscheinen in den kommenden Quartalen kaum realistisch. Nach der letzten Finanzkrise wurde in Europa die Option «Sparprogramme» versucht, zeigte aber kaum Erfolge. Nur wird die Vermeidung eines Budgetdefizites gar nicht mehr angestrebt, nicht einmal mehr in Deutschland und schon gar nicht in den USA, so kurz vor den Wahlen. Staatliche Sparprogramme bedeuten meist weniger Staatsausgaben für Sozialhilfe oder sogar Steuererhöhungen. Sie sind sowohl politisch unbeliebt wie auch wirtschaftlich von den Regierungen unerwünscht. 

«Eine ausgewogenere Anlageaufteilung inklusive Aktien macht mehr Sinn als ein zu hoher Anteil von wenig rentierenden Staatsanleihen.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Daher ist die Finanzrepression wieder die einfachste Lösung für die Regierungen. Diese hat zusehends mehr negative Folgen: Die innenpolitischen Unruhen in den USA vom Juni 2020 haben nicht nur mit Polizeigewalt gegen Afroamerikaner, sondern auch mit steigender sozialer Ungleichheit zu tun, die durch die Finanzrepression verstärkt wird. Die soziale Ungleichheit verstärkt sich darum, weil die breite Bevölkerungsmasse der Sparer gerade in den USA nicht die finanziellen Mittel hat, um in hohem Masse Aktienrisiken einzugehen, gleichzeitig aber auf den Sparguthaben keinen Einkommenszuwachs mehr erhält und vielleicht noch in der gegenwärtigen Rezession arbeitslos wird. Auch die Gelder vieler Pensionskassen leiden unter der Finanzrepression über künstlich, von den Zentralbanken tief gehaltenen Obligationenrenditen. Andererseits profitieren prozentual kleinere Teile der Bevölkerung, welche hauptsächlich Aktienbesitzer sind, von der neuen monetären Stimulierung der Aktienmärkte durch die enorme Liquiditätsflutung überdurchschnittlich. Die Antwort auf die Finanzrepression kann also ein strategisch langfristig höherer Aktienanteil sein, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung meist nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um die Volatilität von Aktien eingehen zu können.

Woher kommt die Finanzrepression? 
Sie entsteht durch die Kaufprogramme der Zentralbanken bzw. die neue staatliche Nachfrage und durch die Regulierung der Banken (Basel III) und Versicherungen («Solvency Ratio»), welche mehr Nachfrage für Regierungsobligationen bzw. Staatsschulden bedeutet. In einer freien Marktwirtschaft entstehen die Marktzinsen frei über die Märkte; in Zeiten der Finanzrepression aber werden die langen Zinsen bzw. Obligationenrenditen über die Nachfrage der Zentralbanken und regulierten Banken/Versicherungen künstlich nach unten gedrückt, was eine Form der «Repression» bedeutet. 

Historisch gab es schon einmal eine Ära der Finanzrepression: Weil die westlichen Staaten, besonders die USA, nach dem Zweiten Weltkrieg wegen der Kriegsfinanzierung eine massive Erhöhung der Staatsverschuldung erlebten, wurden im «Bretton Woods»-Abkommen die Kapitalmärkte reguliert, um künstlich tiefe Zinsen zu bekommen. Das bedeutete, dass ab 1945 für Jahrzehnte die langen Zinsen tiefer gehalten wurden als sie in einer freien Marktwirtschaft gewesen wären. Ähnliches erleben wir seit der Finanzkrise 2008 und jetzt erneut wegen der Corona-Krise: künstlich tief gehaltene Zinsen bzw. Obligationenrenditen, um die Finanzierung der Staatsschulden zu erleichtern. 


Fazit: Die Finanzrepression hat Folgen: negative für die soziale Ungleichheit, sofern die finanziellen Mittel nicht für Aktieninvestitionen reichen, und negative für Befürworter einer völlig freien Marktwirtschaft. Eine Konklusion ist aber auch, dass eine ausgewogenere Anlageaufteilung inklusive nicht zu geringem Aktienanteil mehr Sinn macht als ein zu hoher Anteil an kaum mehr rentierenden Staatsanleihen.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 4. August 2020

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