Es bleiben politische Börsen

Marktkommentar, November 2018

Es bleiben politische Börsen

Angesichts der politischen Unsicherheiten in der Welt ist es einfach, pessimistisch zu werden – vielleicht etwas zu einfach. Die fundamentalen Faktoren sprechen eher für die Einstufung des Rückgangs im Oktober als klassische Herbstkorrektur und nicht als Bärenmarkt wegen einer Rezession. Doch die Geopolitik, speziell der Konflikt USA / China um Handel und andere Themen, dürfte die Volatilität (auf beiden Seiten) in den globalen Finanzmärkten weiterhin höher als üblich halten.

US-Vizepräsident Pence machte am 4. Oktober klar, dass es im US-Konflikt mit China nicht nur um die Reduktion des US-Handelsbilanzdefizites geht. Es geht vielmehr um die Rivalität mit China, um die technologische, wirtschaftliche, militärische und daher geopolitische Vorherrschaft, wie wir bereits im Marktkommentar vom April ausführlich dargelegt haben. Der Sieg von Jair Bolsonaro in den brasilianischen Präsidentenwahlen belegt den Trend, dass immer mehr auf Nationalinteressen orientierte und weniger auf Globalisierung ausgerichtete Regierungschefs gewählt werden. Ein steigender Anteil der Weltbevölkerung spricht sich für solche Politiker aus, was für sich genommen für die Wirtschafts- und Finanzmarktentwicklung weder gut noch schlecht ist. Weil das aber eine deutliche Änderung gegenüber früher darstellt, führt dies zu steigender Volatilität. 

Dominante, national orientierte Politiker sind nun nicht nur in Russland und China (wo die nationale Betonung ihren Anfang nahm) an der Macht, sondern wurden auch in Brasilien, den Philippinen, Polen, Ungarn, Italien und in den USA gewählt. Dies bedeutet, dass inzwischen in Ländern, die über 50 % der Weltwirtschaft ausmachen, national orientierte Politiker das Sagen haben. Die etablierten Traditionsparteien, die sich für immer stärkere (vielleicht zu starke) Globalisierung aussprachen, werden von den Bevölkerungen abgewählt, weil die nationalen Bevölkerungen nicht mehr die Vorteile von Globalisierung mit Migration sehen, aber immer mehr die Nachteile. Für das Wirtschaftswachstum kann die von national orientierten Regierungschefs präferierte Wirtschaftspolitik mit Steuersenkungen für Unternehmen und Haushalte, stärkerem Inländerschutz und Ausgabenerhöhungen zwar zuerst stimulierend wirken, allerdings dürfte dies dann auch die Inflation wieder erhöhen.
Wichtig wird die Frage, ob Investitionen gefördert werden, die die Produktivität verbessern. In diesem Fall wäre die Inflationserhöhung eher temporär und damit auch die Erhöhung der Anleihenrenditen bzw. des Zinsniveaus. Der Harvard-Professor Dani Rodrik postulierte übrigens, dass es in der Weltwirtschaft nun ein «Trilemma», also mehr als ein Dilemma gebe. In einer globalisierten Welt könne ein Land entweder a) weit in der Integration in die Globalisierung sein, b) seine angestammten demokratischen Institutionen behalten oder c) eine eigene Nation bleiben – aber alles gleichzeitig gehe kaum. Wenn ein Land ökonomisch in die Globalisierung voll integriert werde, müsste es nach dieser Theorie seine demokratischen Institutionen zunehmend an eine übernationale Behörde z. B. in Brüssel abgeben. Es scheint, dass dies in Italien und anderen Ländern nicht gewünscht wird. Willkommen in einer strukturell steigenden politischen Volatilität.
 

«Über mehrere Anlageklassen und Akzentmodule werden die Risiken verteilt. Wenn die Volatilität steigt, macht dies weiterhin Sinn.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Die Oktoberkorrektur war vielleicht bereits Ausdruck dieser steigenden strukturell-politischen Volatilität, aber auch zyklisch, also durch die Spätphase des globalen Konjunkturzyklus, begründet. Sie wurde nämlich ausgelöst von einer Kombination von steigenden amerikanischen Anleihenrenditen und bereits schwächerem Wirtschaftswachstum ausserhalb der USA. Der angespannte US-Arbeitsmarkt führte zu US-Treasury-Renditen über 3.2 % und der Handelskonflikt sowie Italien- und Brexit-Unsicherheiten hatten schwächere Konjunkturdaten in Europa zur Folge – und damit auch einen vorsichtigeren Ausblick von zyklischen Unternehmen. Es ist nicht verwunderlich, dass Firmenmanager angesichts des Handelskonfliktes die Erwartungen der Analysten lieber reduzieren wollen, vielleicht auch um später doch eher positiv überraschen zu können. Die Börsen werden weiterhin ziemlich politisch bleiben. In den kommenden Monaten rechnen wir damit, dass viele politische Probleme ungelöst bleiben. Die Konfrontation zwischen der italienischen Regierung und der EU-Kommission, welche das italienische Budgetdefizit in der Höhe von 2.4 % des Bruttoinlandproduktes ablehnte, könnte länger anhalten. Letztlich kann die EU zwar Italien mit einer Strafe von vielleicht 0,25 % des BIP belegen, doch wirklich entscheiden kann das Budget nur die italienische Regierung. Wichtig wird die Frage, ob die italienische Regierung von den Marktkräften zum Einlenken bewegt wird. Einerseits ist sie ihren Wählern verpflichtet, die sie mit dem Auftrag zur Steuersenkung und der Einrichtung eines Mindesteinkommens für ärmere Schichten der Bevölkerung gewählt hat. 
Andererseits kann sich Italien die Finanzierung seiner hohen Staatsverschuldung von über 130 % des Bruttoinlandproduktes kaum leisten, wenn der Markt 4-5 % für italienische Staatsanleihenrenditen verlangen würde. EZB-Präsident Draghi hat bereits signalisiert, dass in einem solchen Fall Hilfe nicht zu erwarten wäre. Auch die weiter ungelöste Brexit-Problematik gehört auf die Liste der drängenden politischen Fragen. Schliesslich bleibt da auch noch der Handelskonflikt, bei welchem es ja um mehr geht als nur um Importzölle. Eine Verschärfung des Handelskonflikts mit 25 % Zöllen ab 1. Januar 2019 auf chinesische Importe in die USA könnte exportorientierte Länder mehr treffen als defensiv oder auf die Binnenwirtschaft orientierte Länder. Die Rückeroberung des Repräsentantenhauses könnte US-Präsident Trump vielleicht dazu bewegen eine weniger radikale Politik zu betreiben – historisch zeigen Aktien bei einer Machtaufteilung zwischen Exekutive und Legislative eine bessere Performance als wenn beides von der gleichen Partei dominiert wird.

Zusammengefasst muss man sagen, dass es politische Börsen bleiben, mit denen wir es hier zu tun haben. Angesichts der langen Liste politischer Themen dürfte uns dies uns nicht nur 2018, sondern auch 2019 beschäftigen. Ein Rezept dafür gibt es nicht, aber durch eine ausgewogene Diversifikation über verschiedene Anlageklassen und Akzentmodule werden die Risiken auf verschiedene Aktiven und Länder, also vernünftiger verteilt. Wenn die Volatilität steigt, macht dies Sinn.
 

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

Modular anlegen mit Maerki Baumann

Die hervorgehobenen Akzentmodule erlauben es Ihnen, die erwähnten Themen in Ihrem Portfolio abzubilden:

Aktien Schweiz Aktien USA
Nebenwerte Schweiz Aktien Schwellenländer
Aktien Eurozone Aktien Global
Aktien Deutschland  
Obligationen CHF Global Ausgewogen
Obligationen EUR Rohstoffe
Obligationen USD  
Obligationen Schwellenländer  

Kontaktieren Sie Ihre Kundenberaterin oder Ihren Kundenberater für weitere Informationen.

Wichtige rechtliche Hinweise:

Diese Publikation ist nicht auf die Herbeiführung eines Vertragsschlusses gerichtet, sondern enthält lediglich Markt- und Anlagekommentare von Maerki Baumann & Co. AG sowie eine Einschätzung zu ausgewählten Finanzinstrumenten. Somit stellt diese Publikation weder eine Anlageberatung noch ein Angebot für den Erwerb oder Verkauf von Anlageinstrumenten dar. Maerki Baumann & Co. AG erbringt keine Rechts- oder Steuerberatung. Im Weiteren übernimmt Maerki Baumann & Co. AG keinerlei Haftung für den Inhalt dieses Dokuments und haftet insbesondere nicht für Verluste oder Schäden irgendwelcher Art, einschliesslich direkte, indirekte oder Folgeschäden, die aufgrund von in diesem Dokument enthaltenen Informationen und/oder infolge der den Finanzmärkten inhärenten Risiken entstehen.

Redaktionsschluss: 9. November  2018

Maerki Baumann & Co. AG
Dreikönigstrasse 6, CH-8002 Zürich
T +41 44 286 25 25, info@maerki-baumann.ch
www.maerki-baumann.ch

top